Theodor Alescha
Bilder einer Reise. Leben und Werk Theodor Aleschas
by Arno Löffler
Kunstfreunden ist der Name Alescha heute noch ein Begriff. Sie denken dabei vornehmlich an die Ausstellung der Österreichischen Galerie im Schloss Belvedere im Jahre 1984, die Aleschas Werk wieder in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt hat. 1998, sieben Jahre nach seinem Tod, fand im Anton-Hanak-Museum in Langenzersdorf zum 100. Geburtstag des Künstlers noch einmal eine Sonderausstellung mit dem Titel „Theodor Allesch genannt Alescha“ statt. Seither ist es ruhig um diesen Künstler geworden, der Zeit seines Lebens zurückgezogen lebte und eher im Verborgenen wirkte. Dabei gehörte Theodor Allesch, der sich selbst „Alescha“ nannte, seinerzeit durchaus zu den etablierten Künstlern Österreichs; er war zweifellos kein Unbekannter. Sein Werk ist in den öffentlichen Sammlungen gut vertreten; allein die Artothek des Bundes nennt 15 Bilder ihr eigen.
Sein künstlerisches Schaffen steht keineswegs isoliert vom kunsthistorischen Kontext seiner Zeit. Seine Landschaften aus den Zwischenkriegsjahren, die ein Grossteil seines Oeuvres ausmachen und „wie gebaut“ wirken, verströmen einen ganz eigenen, völlig fremdartigen Reiz und sind doch eindeutig als Malerei der Zwischenkriegszeit erkennbar.
Theodor Alescha war ein sehr genau beobachtender und sehr genau arbeitender Mensch. Dieser Hang zur Exaktheit und zur Klarheit, ja zum Peniblen, wie er sich in der klaren Linienführung seiner Bilder widerspiegelt, lässt sich ebenso in Aleschas Beobachtungen und Reflexionen, die er in seinen Tagebüchern und Reiseberichten niedergelegt hat, feststellen. Alescha bereiste Europa und Amerika und nahm begierig die vielfältigen Eindrücke jener Gegenden in sich auf. Er beobachtete die Landschaften, durch die er kam und die Menschen, die er dort traf und suchte überall das Gespräch, was dem polyglotten Wissbegierigen niemals schwerzufallen schien. All diese Erfahrungen verarbeitete Alescha in seinen Bildern.
Unstetes Jungtalent
Theodor Alescha wurde am 23. April 1898 in Wien geboren. An der Realschule wurde sein Zeichenlehrer auf das herausragende künstlerische Talent des Jungen aufmerksam. Schon 1915, im Alter von 17 Jahren, trat Alescha in die Wiener Akademie der Bildenden Künste ein, wo er sich bei Prof. Rudolf Bacher dem Studium der Porträtmalerei widmete. Nicht sehr lange blieb er der Akademie und der dort gelehrten Malweise treu. Vielmehr faszinierte ihn die Natur, die Vielgestaltigkeit der Landschaftsformen, das Wechselspiel von Licht und Schatten und die Veränderung der Farben im Lauf der Jahreszeiten, obwohl er auch später die Darstellung von Personen nie aufgab. Schon bald zog es den jungen Künstler in die Ferne; die Eindrücke, die er auf seinen Reisen sammelte, namentlich die Landschaftseindrücke, wurden ihm zu einer nie versiegenden Quelle der Inspiration.1917 unternahm Alescha, dem Weltkrieg zum Trotz, seine erste größere Reise, die ihn nach Deutschland führte. In München gelang es ihm dabei erstmals, mehrere Bilder zu verkaufen.
Im letzten Kriegsjahr wurde Alescha noch zum Militär eingezogen, schaffte es aber trotzdem vor Jahresende, ins Ausland zu reisen, um sich künstlerisch fortzubilden und weiterzuentwickeln; in jener Zeit der allgemeinen Not und des täglichen Überlebenskampfes keine unbedeutende Leistung. Zunächst führte ihn sein Weg nach Triest, von dort aus fuhr er weiter nach München. In den folgenden Jahren, bis 1937, bereiste er mehrmals Italien mit Triest und Istrien, Russland, die Tschechoslowakei, Frankreich, Dänemark, Jugoslawien, Niederlande und die Schweiz. In Russland zogen ihn vor allem die beiden Kulturmetropolen St. Petersburg und Moskau an, wo er Kontakte zu Kulturminister Lunatscharskij knüpfte. In der Tschechoslowakei erregte Prag Aleschas besonderes Interesse; in der Schweiz besuchte er Ronco, Ascona, das Engadin, Zermatt, lebte im Waadtland und lernte unter anderen Romain Rolland kennen. An Frankreich faszinierten Alescha außer der landschaftlichen Schönheit insbesondere die Museen in Paris. Über seine Louvre-Besuche 1935 und 1936 führte er genauestens Buch. Aleschas Louvre-Tagebuch enthält neben zahlreichen Skizzen eingehende Beschreibungen der Bilder, die den Kunstreisenden am meisten faszinierten.
Auch später, in und nach den Jahren des Exils, das Alescha in der Schweiz, dann in Frankreich und schließlich in den USA verbrachte, hörte er nie auf, von der landschaftlichen Vielfalt dieser Welt und von den kulturellen Äußerungen ihrer Bewohner fasziniert zu sein und diese Faszination in Kunst umzusetzen.
Idealist und Schwärmer
Das geistige Leben des frühen 20. Jahrhunderts war von verschiedensten Entwürfen geprägt, welche die Gesellschaft radikal verändern wollten. Dem Zeitgeist entsprechend waren viele Menschen überzeugt, an einem historischen Wendepunkt zu stehen. Von diesen vielschichtigen Veränderungsideen waren keineswegs nur radikale Rechte durchdrungen, sondern auch Pazifisten wie die Wienerin Bertha von Suttner oder Vordenker und Akteure der sozialistischen Arbeiterbewegung.
Alescha war und blieb Zeit seines Lebens Sozialist humanistischer Prägung. Noch am 1. November 1990, wenige Monate vor seinem Tod, schreibt er in einem Brief an eine in der Schweiz lebende Freundin: „Du siehst, ich bin der Alte geblieben, bin von meinen sozialistischen Idealen nicht abgerückt - trotz der neuesten Trends.“ Aleschas sozialistische Überzeugung verfestigte sich nicht zuletzt auch durch seine Sowjetunion-Reise.
Seine politischen Vorstellungen wurden jedoch nie wirklich konkret, die Bindung an eine bestimmte Parteilinie war seine Sache nicht. Für Alescha bedeutete Sozialismus vor allem freie Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung jedes einzelnen Menschen. Für ihn wurde deutlich: Während bei den völkischen Rechten die germanischen Übermenschen die Welt retten sollten und bei den Sozialisten das befreite Proletariat die große Perspektive war, setzte Alescha auf das Veränderungspotential der Künstler, die er die „Erkennenden“ nannte. Der Zusammenhang von Kunst und sozialistischer Befreiung des Menschen beschäftigte Alescha schon früh. 1920 diskutierte Alescha im Anschluss an einen Vortrag des Bildhauers Anton Hanak, zu jener Zeit Professor an der Wiener Kunstgewerbeschule, mit diesem über „Das Verhältnis des Sozialismus zur Kunst.“
Den Künstlern, den „Erkennenden,“ den „Aktivisten,“ wuchs in Aleschas Denken die Rolle des Befreiers der geknechteten Menschheit zu.
Künstlerische Vorbilder und Inspirationsquellen
Der junge Alescha, der sich bisweilen auch als Reisereporter schriftstellerisch betätigte, war vielseitig literarisch interessiert und durch die Beherrschung mehrer Fremdsprachen sehr belesen. Philosophie, Literatur und Musik stellten für ihn als suchenden jungen Maler in den frühen Jahren eine große Bereicherung und wichtige Quelle für sein Schaffen und seine Weiterbildung dar.
Zwei wichtige Vorbilder im Leben waren für ihn der amerikanischen Dichter Walt Whitman (1819-1892) und der elsässische Romancier Otto Flake (1880-1963). Aleschas Vorliebe für Whitman begleitete ihn sein ganzes Leben hindurch.
Für Alescha als Maler war an der lebensbejahenden Weltsicht Whitmans entscheidend, dass alles Beobachtbare gleichermaßen wert ist, abgebildet zu werden, denn in allem offenbart sich dem aufmerksamen Individuum das Großartige des Seins, auch in Dingen, die auf jemanden, dem dieser Zugang fehlt, banal wirken. Die städtische Landschaft, auch sie ist, wie der Mensch, der sie geschaffen, nicht Gegensatz der Natur sondern diese selbst. ... Auch über ihr steht die Sonne, streift über sie wie über Prärien. ... Aber sehen die Menschen der Städte dies, wenn sie aus Büros und Fabriken strömen und so müde sind? - Oh wenige sind genug und der zähe helle Himmel der beginnenden Dämmerung ist für sie lange golden und grün um ihretwillen. Dies alles muss gemalt werden - es ist darzustellen wie phantastisch der Zug der Straßenbahnen ist, den Ring hinunter, golden in der Bläue des Abends, welch wunderbares Schauspiel eine Fabrik ist, die am Abend arbeitet - wie ein Licht leuchtet sie aus den dunklen Massen der Vorstadthäuser - All das ist die Aufgabe des antiromantischen Romantikers. ... Es ist nichts, das mir nicht wertvoll wäre und das für mich nicht eine Seele hätte, die mich um Ausdruck anfleht.
In einem Brief an Erich Wellisch schreibt Alescha ausdrücklich, er wolle in Whitmanscher Manier malen.
Malervorbild Ferdinand Hodler
Einen wichtigen Stellenwert in Aleschas Werk nahm der Schweizer Maler Ferdinand Hodler (1853-1918) ein. Der einzelgängerische Hodler, der für seine kantigen Landschaften lange Jahre vernichtende Kritiken einstecken musste, bis er in seiner Wahlheimat Genf schließlich Erfolge feierte, war für den jungen Alescha ein großes Vorbild.
In seinem Tagebuch exzerpierte der begeisterte Alescha ausgiebig aus einem schwärmerischen Aufsatz des schweizerischen Dichters Hermann Kesser (1880-1952), mit dem Titel Züge Ferdinand Hodlers: „O tapferster Ferdinand Hodler! Schon als Beispiel für echten, einsamen Heldenmut müsstest du lebendig bleiben!“ Ferdinand Hodler sah sich trotz seiner unvollkommenen Bildung, ähnlich wie Whitman und Alescha, immer als „Denker,“ im Gegensatz zu den „Nur-Malern,“ und bemühte sich schon in seinen Frühwerken der Siebziger Jahre nicht nur um bestes Handwerk, sondern versuchte stets, seinen Realismus über das bloße Abmalen der äußeren Wirklichkeit hinauszuführen: Seine Landschaftskunst folgte der Entwicklung über Plenair und Impressionismus, bis sie nach 1890 Anschluss beim hohen Stil seiner figürlichen Darstellungen fand. In einer nie gesehenen Art der Gestaltung wurde Hodler der klassische Maler der Schweizer Berge und Seen. Bei seiner Bildaufteilung bediente er sich einer Technik, die er „Parallelismus“ nannte. Dabei handelt es sich um rhythmische Wiederholungen gleicher Formen und Farben. Aleschas aus rhythmisch angeordneten Farbflächen nüchtern „gebaute“ Landschaften, die auf den Betrachter oft einen monumentalen Eindruck machen, erinnern in der Tat stark an den Einfluss Holdlers.
Frühe Hinwendung zur Landschaftsmalerei
Schon bei seiner ersten Triest-Reise 1918 hatte der damals 20jährige Alescha seine besondere Liebe zu Istrien und Italien entdeckt. 1921 brach er erneut zu einer Reise nach Italien auf. Aleschas Reisetagebuch von jener Zugfahrt ist voll Notizen von Gesprächen mit seinen Zeitgenossen. So unterhielt er sich im Abteil mit italienischen Kriegsheimkehrern, die aus russischer Gefangenschaft unter zu den roten Bürgerkriegstruppen gekommen und dort zu überzeugten Bolschewiken geworden waren; nun wollten sie die Revolution in ihre Heimat tragen. Alescha unterhielt sich auch mit russischen Juden, die ihm erzählten, sie seien vor Progromen der konterrevolutionären „Weißen“ geflohen und nach Palästina unterwegs, um sich dort eine neue Existenz aufzubauen. Der junge, schwärmerische Alescha zeigt sich in seinem Tagebuch vom Enthusiasmus der zionistischen Pioniere angesteckt. Auch er wollte eine neue Welt für sich erschaffen, eine neue Welt in Bildern. Während der Zug Italien zustrebte, plauderte Alescha mit seinen Reisegefährten auf Italienisch, das er offenbar sehr gut beherrschte, und auch auf Russisch. Das Jiddisch, das eine Frau aus der Gruppe der Zionisten sprach und das Slowenisch eines der „roten Heimkehrer,“ wie er sie in seinem Tagebuch nannte, scheint er ebenfalls einigermaßen verstanden zu haben. Nebenbei hielt er die Landschaft in Worten fest, die bereits seine späteren Pastelle erahnen lassen: „Nun wird das Murtal enger, und ganz hohe Gebirge schwingen oberhalb Judenburg unter dem grauen Himmel. Wir umfahren einen Felskegel, der wie das Urbild eines Berges wirkt, sein Skelett tritt zutage - er zeugt uns bei der Schnellfahrt des Zuges immer neue Felsrippen, auf denen bis zum Gipfel hinauf einzelne Fichten stehen, wie schwarze Flammen. Das gibt seiner Silhouette etwas Phantastisch-Nordisches.“
Die 20er Jahre: Künstlerischer Drang und wirtschaftlicher Zwang
In Istrien, das die Italiener aus der Konkursmasse der k.u.k. Doppelmonarchie für sich gerettet hatten, verbrachte Alescha einige prägende Monate, vor allem in und um Capodistria. Doch sein eigentliches Ziel lag jenseits der Adria. Um dieses zu erreichen, sah sich Alescha gezwungen, Porträtaufträge anzunehmen, um sich so die Weiterfahrt zu verdingen. Zwar hatte er in Wien Porträtmalerei studiert, doch war ihm das Porträtieren um des Geldes willen ein Graus. Im April 1921 notiert er: „Verfluchtes Geld. Nur in der Hoffnung Alt-Italien zu sehen tue ich es und der Welt zuliebe“. Als Alescha im Mai in seinem Tagebuch sein Verständnis von der „Aufgabe des Menschenmalers“ zu definieren versucht, geraten ihm in seine Ausführungen immer wieder Gedanken zur Landschaftsmalerei, seiner wahren Berufung: „Das Bild sei etwas streng ins Format komponiertes; jede Stelle ist wichtig, da es geschlossen ist, nicht rund, verfließend ohne feste Grenze wie die Landschaft, die Wirklichkeit, die Natur mit freiem Horizont, der unendliche Möglichkeiten des Bildausschnittes bietet. … Was geht es mich an, dass jener Bursche, dessen Kopf mir sympathisch ist, durch die Wirklichkeit, die Not, gezwungen wurde, in einer Ziegelei zu arbeiten? Um ihn ist die Stimmung der Karstflächen von Doberdò, oder erinnert an die Felsklüfte des Isonzo - ich male phantastische Gipfel hinter ihm aufgetürmt, stelle seinen prächtigen finnisch-slawischen Kopf in ganz helles Morgenlicht, die Gipfel in Nebel, der schwer von feuchter Erde duftet - ein Naturalist würde ihn als Ziegelschöpfer malen.“
Bei allem Interesse für die sozialen Fragen der Gegenwart ist die Darstellung der konkreten Lebenssituation der arbeitenden Menschen nicht Aleschas Sache. Bei seinen Personendarstellungen kommt es ihm eher auf abstrakte Typen an, auf eher allgemeine Gemüts- oder Seelenzustände, die er am Beispiel des oder der Abgebildeten in beinahe allegorischer Manier ausführt. Auch deutet sich an, dass landschaftliche Aspekte seiner Kunst, anfänglich als psychologisierende Hintergründe verstanden, Alescha eigentlich mehr interessieren als die Personen im Vordergrund. Die strenge Komposition, die ihm vorschwebt, scheint ihm im landschaftlichen Kontext, dessen, „was er schön findet und bemerkenswert auszuwählen“ besser zu verwirklichen.
Alescha arbeitete auch in Öl, aber bereits überwiegend in Pastell, auch aus wirtschaftlichen Gründen. Denn in Pastell konnte er schneller und billiger arbeiten. Auf die Lira genau rechnet er sich aus, wie viel er brauchen würde, um die großen Stätten der Kunst bereisen zu können. „Wenn ich, im Sommer, 1500 - 2000 Lire in barem Geld habe, fahre ich nach Venedig und Florenz um zur großen Kunst zu gelangen, nach Rom, nach Paris, in die Welt!“ Alescha klagte über sein minderwertiges Malmaterial, „das bisschen Pastellmalen“ nimmt er zunächst selbst nicht recht ernst. Ihm sind seine Pastelle eher Studien für später auszuführende Ölbilder. Es drängt ihn nach künstlerischer Verwirklichung, nach künstlerischer Freiheit und wirtschaftlicher Unabhängigkeit, denn „Was ich jetzt mache, hat meist nur wenig mit Kunst zu tun.“ Obwohl er sich selbst beschwört: „Ich muss vor allem - in Rom, Paris oder Wien - Akt malen, Menschen, Menschen malen!“ sind auffälligerweise fast sämtliche Pastellstudien, die er im Mai 1921 für eine spätere Ausführung in Öl als „gute expressionistische Bilder“ vorsieht, istrische Landschaften.
Italien und die Kulturstadt Venedig
Im Mai 1921 kehrte Alescha von einer Woche Venedig nach Istrien zurück. Er hatte einen gehörigen Kulturschock zu verdauen. „Ich habe Venezia gesehen und die goldene Basilika gemalt und Paläste, Gondeln vor S. Giorgio Maggiore - monumentale Kirchen, Paläste, Kanäle, habe eine Woche die Luft der Lagunen und die üppige ... Luft der Stadt eingeatmet...sieben Studien mitgebracht (drei, fast die besten musste ich verkaufen) was ist das Ergebnis ... Das Ergebnis? Sonderbar, fast scheint mir als sei Venedig zu schön und mir zu bekannt, zu europäisch, zu heimatlich. ... Gar nicht fremd erschien es mir, so viel hatte ich von ihm geträumt .... in Venedig fühlt man deutlich dass es für diese Stadt ein Weiter im künstlerischen Sinn nicht gibt. Sie steht da, vollendet, unendlich, am Ende glänzend wie der Mond, leuchtend und erstarrt.“
Bei aller Bewunderung befremdete den jungen Maler der von ihm so empfundene museale Charakter Venedigs, ja Italiens. Seinen Hunger nach Erneuerung, nach dem Neuen schlechthin, wollte Alescha am liebsten auf die ganze Welt übertragen und keinen Stein auf dem anderen lassen - eine typische Vorstellung der damaligen Moderne!
Bis zu seiner aus Geldnot erzwungenen Rückreise nach Wien im Juli knüpfte Alescha viele Kontakte mit Einheimischen und Fremden, nahm Aufträge an, malte Porträts und Landschaften. Die Landschaftsschilderungen nahmen in Aleschas Tagebuchaufzeichnungen auffallenderweise immer mehr Raum ein. Alescha schien, wenn auch der Rest des Jahres 1921 für ihn nicht den gewünschten Durchbruch brachte und er eine erneute Italienreise im September schon bald wieder beenden musste, sein Metier gefunden zu haben. Wenngleich Alescha auch später gelegentlich noch Porträts malte, so war er doch in späteren Jahren wie 1932 bei seinen Reisen ins Tessin und im Wallis von seinem Selbstverständnis her schon ganz Landschaftsmaler.
Die Jahre zwischen 1920 und 1934 waren von vielen Reisen, vor allem ins benachbarte Italien, aber auch in die Schweiz, Frankreich, Deutschland geprägt, in denen er als reisender Maler ausreichend von seiner Kunst zu leben verstand. Aufträge, Gruppenausstellungen sowie Aleschas zahlreiche internationale Kontakte und Verbindungen, die er durch sein aufgeschlossenes Wesen und seine Sprachengewandtheit gewann, bildeten die Basis dieser fruchtbaren Jahre.
1934-1938: Exiljahre in der französischen Schweiz
Wie so viele andere österreichische Künstler kehrte auch Alescha während der Zeit des Austrofaschismus und des Nationalsozialismus seiner Heimat den Rücken. Viele Künstler und Intellektuelle hielten es, mehr schlecht als recht, teilweise noch bis zum Anschluss an das nationalsozialistische Deutschland im März 1938 in Wien aus. Alescha war jedoch schon im Frühling 1934 unter Mitnahme des größten Teils seiner Naturstudien, der Tagebücher und seiner Bibliothek in die Westschweiz gegangen und hatte am Genfersee zu malen begonnen.
„Ich entdeckte dort ganz prächtig aufgebaute Landschaftsmotive mit rustikaler Architektur, wie ich sie liebe - und weiter oben, gegen Montreux [Waadtland] zu, große Berghintergründe. - Schon zwei Jahre vorher hatte ich über Zermatt [Wallis] meine Feldstaffelei bis 3500 Meter hinaufgetragen, Dort, im Val d’Anniviers, fand ich meine höchsten Gletschermotive, wie ich sie später auch im Engadin entdeckte.“ Dem begeisterten Alpinisten Alescha kamen immer wieder seine Kontakte zu Bergsteigern, aber auch zu Auftraggebern, Kunstfreunden oder überhaupt wohlmeinenden Menschen zugute, die für ihn bürgten oder ihm eine Unterkunft verschafften. Solche glücklichen Begegnungen, die Alescha immer wieder unverhofft weiterhalfen, nannte er „Reisewunder.“ Zeitweilig hielt sich Alescha im Wallis, in den Niederlanden, in Belgien, in Paris und auch in Bern auf.
Nach Wien kam Alescha in jenen Jahren nur noch zu Weihnachten, zuletzt 1937, auf Bitten seiner Mutter, zu der er ein sehr enges Verhältnis hatte. Dort verbrachte er um den Jahreswechsel glückliche Tage mit seiner Familie und mit Freunden, die er dazu bewegen wollte, mit ihm in die Schweiz zu gehen. Auch seine Künstlerkollegen sah er noch einmal: „Im Jänner gab es noch ein Fest im Hagenbund, in dem ich so oft ausgestellt hatte. Die Malerfreunde, die ich am meisten schätzte und kannte, waren Georg Merkel, Carry Hauser, Gütersloh und Jungnickl. Diesmal war auch Grete Wiesenthal mit uns, die uns sehr gefiel.
„Durch einen Porträtauftrag bis Mitte Mai [in Wien] festgehalten,“ reiste Alescha erst nach dem Anschluss Österreichs ans Deutsche Reich wieder zurück in seine Unterkunft in Tavel-sur-Clarens. Dort stellte er bestürzt fest, dass seine Aufenthaltsbewilligung für die Schweiz abgelaufen war, konnte aber zunächst bei der Fremdenpolizei einen Aufschub erwirken. Das war nicht selbstverständlich; Alescha berichtete in seinen Aufzeichnungen von anderen Österreichern, die in jener Zeit nur knapp oder gar nicht einer Internierung in der Schweiz entgingen.
Schlussendlich bewirkte die Fremdenpolizei aber doch Aleschas Ausweisung aus der Schweiz, wobei sie ihm einen Aufschub von fünf Monaten gewährte. In der Unterkunft in Tavel wurde es eng: Mittlerweile waren Aleschas Mutter und auch seine Schwester Hanna mit ihrem ungarischen Mann Paul und Tochter Lea auf der Flucht vor den Nazis aus Wien angekommen. Durch die Hilfe eines russischen Emigranten, der Kontakte nach New York hatte, erhielt Aleschas Schwager im Frühjahr 1939 ein amerikanisches Visum für sich und seine Familie.
Zwischenstation Frankreich
Am 13. November 1938 verließ Alescha, mit einem ungültigen österreichischen Pass in der Tasche, die Schweiz in Richtung Paris. Ein Lausanner Stadtrat, mit dem Alescha etliche Bergtouren unternommen hatte, ermöglichte ihm die Einreise nach Frankreich, indem er ihn dem Bürgermeister von Evian-les-Bains, auf der französischen Seite des Genfersees, vorstellte. Durch einen Porträtauftrag hatte Alescha zudem einen Kontakt in Paris, wo er den Bürgermeister von Vienne-sur-Rhône kennenlernte. Dieser riet Alescha, das von Flüchtlingen überlaufene Paris möglichst bald wieder zu verlassen und stattdessen zu ihm nach Vienne zu übersiedeln. Alescha wollte aber aus künstlerischen Gründen lieber in den Bergen leben und arbeiten und ließ sich von dem Bürgermeister ein Empfehlungsschreiben an die Präfektur von Isère in Grenoble und ein weiteres für das dortige Musée de Peinture & Sculpture ausstellen. In der ihm in Paris verbleibenden Zeit traf Alescha emigrierte Malerkollegen wie Georg Merkel, Willy Eisenschitz, „dessen Landschaften ich seit Assisi 1922 gut kannte und schätzte,“ und machte die Bekanntschaft des „rasenden Reporters“ Egon Erwin Kisch.
Gegen Weihnachten 1938 stellte sich Alescha auf der Präfektur in Grenoble und bei Pierre Andry-Farcy, dem Konservator des Museums, vor. Alescha schätzte ihn sehr für dessen Engagement für die Moderne, speziell die „Fauves.“ Nachdem er sein Gepäck aus der Schweiz nachgeholt hatte, richtete sich Alescha in einem Landhaus aus dem 15. Jahrhundert in Bouqéron-sur-Grenoble ein und ließ seine Mutter nachkommen.
In Bouqéron stürzte sich Alescha „glücklich und hoffnungsvoll“ in die Arbeit: „Ich entdeckte am Rand der Berge über dem fruchtbaren schon recht südlichen Tal "Graisivaudan" von steilen, im Süden schon sehr alpinen Bergen umgeben, einige Motive, die mich faszinierten. Ich studierte sie zuerst in Pastelltechnik und verarbeitete sie später zu größeren Ölbildern.“ In der Kunsthandlung Frappat nahm Alescha mit einigem Erfolg an einer Kollektivausstellung teil.
Der Überfall Deutschlands auf Polen am 1. September 1939 machte dem geruhsamen Dasein Aleschas in Bouqéron ein Ende. Alescha wurde von der Gendarmerie verhaftet und angewiesen, sich in einem Sammellager in Grenoble zu melden. Dort traf er viele andere österreichische Flüchtlinge aus Südostfrankreich. Nach einer Woche wurden die Internierten ins Militärlager Chambrand in der Drôme verbracht. Alescha setzten die ungesunden Zustände im Lager sehr zu und wurde krank. Ein Lagerarzt erwirkte schließlich Aleschas Entlassung, worauf er nach Bouquéron zurückkehren konnte. Um einer erneuten Internierung zu entgehen, liess sich Alescha von einem Grenobler Arzt für herzkrank erklären und ging fortan kaum mehr aus dem Haus. Nachdem er auf der Präfektur seine Lage geschildert hatte, erhielt er die Erlaubnis, seinen Wohnsitz höher hinauf in die Berge zu verlegen. Im Bergdorf Provéyzieux mietete Alescha, im Spätherbst 1939, ein leerstehendes Bauernhaus. Dort, in sicherer Entfernung von der Gendarmerie im Tal, fand Alescha wieder Ruhe zum Bergsteigen und zum Malen.
Im Frühjahr 1940 las Alescha bestürzt in den Grenobler Zeitungen vom Überfall Deutschlands auf Dänemark. Mittlerweile war jedoch De Kaufmann, den er per Zufall 1922 in Rom kennengelernt und dem er eine große Anzahl von Arbeiten verkauft hatte, dänischer Botschafter in Washington geworden. Mit diesen und weiteren, durch De Kaufmann vermittelten Bildverkäufen hatte sich Alescha damals seine Italienreise finanziert. Bei De Kaufmann in Washington antichambrierte nun Aleschas Schwester Hanna für sich und ihren Bruder. „Der dänische Gesandte versprach, beim Präsidenten Roosevelt, mit dem er befreundet war, alles für uns zu tun.“ In Chicago setzte sich Aleschas Schwester ebenfalls für ihn ein: Carl O. Schniewind, dem Kurator für Drucke und Graphiken am Art Institute of Chicago, zeigte sie mit Erfolg die Ölbilder, Pastelle und Holzschnitte, die sie mit nach Chicago genommen hatte. Noch im Sommer erhielt Alescha eine Einladung zur Teilnahme an einer Kollektivausstellung der „United American Artists of Chicago“, was den entscheidenden Anstoss für Aleschas Amerika-Fahrt bilden sollte.
Wenigstens war Alescha im Moment nicht unmittelbar bedroht; er arbeitete, empfing zahlreiche Besucher und unternahm Bergtouren in der Umgebung. In diesem Zusammenhang lernte er auch den Künstler und Kunsttheoretiker André Lhote und dessen Freundin kennen, die er beide porträtierte.
Anfang 1941 wurde Alescha mehrfach gewarnt, sein Name befinde sich „auf der berüchtigten Gestapoliste“ und er solle sich lieber mit einem amerikanischen Notfallvisum nach Marseille aufmachen. Der Alescha freundlich gesonnene Vizekommandant der Grenobler Gendarmerie könne ihn nicht ewig vor der Internierung im berüchtigten Lager Gurs schützen.
1941: Aufbruch nach Amerika
Alescha erhielt tatsächlich ein solches Visum, woraufhin er gemeinsam mit seiner Mutter die Reise nach Chicago antrat. Über Aix-en-Provence fuhren die beiden mit Koffern, Skiern und einer Balalaika schwer bepackt am 12. März 1941 mit dem Zug nach Marseille. Alescha erwarb dort nicht nur über ein Hilfskomitee zwei Schiffbilletts von Lissabon nach New York, sondern nutzte die Zeit in der Provence auch zum Wandern und Malen. Besonders angetan war er vom Ausblick auf den Garlaban, den er ebenfalls abbildete: „Denn hier ist ein besonderer Platz – hier beginnen die Alpen, die in tausend Gipfeln erst bei Wien enden. Also ein für mich feierlicher Blick.
Am 28. März ging es weiter; bis zum 2. April dauerte die Zugfahrt durch das Spanien Francos.
Im ebenfalls neutralen Portugal angekommen, unternahm Alescha sogleich Malausflüge in der Lissaboner Umgebung: „Ich fand oft vom Sturm zerbrochene große Pinien und an schönen Tagen unvergessliche Motive.“ Bei der Wohnungssuche half wieder die Empfehlung eines Kunstliebhabers aus Grenoble weiter. Auch sonst waren die Flüchtlinge nicht ganz auf sich gestellt: Hilfskomitees bemühten sich und Bekanntschaften mit anderen Flüchtlingen sowie die Malerei verkürzten die Wartezeit. Der regnerische April liess nicht viel Arbeit im Freien zu, aber den Mai verbrachte Alescha großteils auf Malausflügen in den Sierras um Lissabon und Sintra.
Am 3. Juni 1941 stach Alescha endlich in See. Die lange Zeit der Überfahrt vertrieb er sich mit politischen Gesprächen, mit Gesang, Balalaikaspiel und Whitmans Büchern, die er auch einer Reisebekanntschaft vorlas, die in Hollywood das große Glück zu machen hoffte. Als sich das Schiff New York näherte und einige Journalisten an Bord kamen, wurde Alescha geraten, etwas für seine Bekanntheit als Exilkünstler in den USA zu tun und der Presse von sich zu erzählen. Doch Alescha blieb lieber an Deck und bestaunte die New Yorker Skyline.
1941-1947: Chicago
In New York wartete seine Schwester auf die Neuankömmlinge. Glücklich vereint, fuhren sie mit dem Zug nach Chicago, wo das Art Institute Alescha für einige Zeit ein Atelier zur Verfügung stellte. In die Zeit erster Wolkenkratzerstudien platzte die Nachricht vom Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion wie eine Bombe.
Im Sommer 1941 wiederholte Alescha noch einmal seinen New Yorker Fehler in Sachen Öffentlichkeitsarbeit: Ein Herr legte ihm einen Fragebogen vor, der Alescha an den Fragebogen erinnerte, den er schon auf dem Dampfer hatte ausfüllen müssen, und den er darum nicht mehr ausfüllen wollte. Wie sich herausstellen sollte, handelte es sich um eine Erhebung für eine Künstlerdatei der Kongressbibliothek in Washington.
Doch bald erhielt Alescha wieder Porträtaufträge. Ihm wurde vorgeschlagen, im noblen Charleston auszustellen, was Alescha jedoch mit dem Hinweis ablehnte, er wolle zuerst in New York ausstellen. Durch die Ausstellung in Chicago, deretwegen er von Provézieux aufgebrochen war, lernte er die Malergruppe United Artists of America kennen. „Durch sie erlebte ich die letzten Monate der WPA Bewegung, die Roosevelt ins Leben gerufen hatte“ Durch die WPA, ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für Künstler im Rahmen von Roosevelts New Deal, kamen in jener Zeit Künstler sehr leicht an grosse und billige Ateliers sowie öffentliche Aufträge. Durch Vermittlung von Mitgliedern der United Artists nahm Alescha an zwei weiteren Ausstellungen teil. Die erste fand in einem großen Chicagoer Kaufhaus statt, anlässlich derer Alescha feststellen musste, dass in der Presse nur jene Künstler ausführlich rezensiert wurden, die die Kritiker bestochen hatten. „Alescha exposes lovely landscapes“ war die einzige kostenlose Pressereaktion auf seine Bilder. Die zweite Ausstellung fand zugunsten des Chinese War Relief statt.
Am Ende der Sommerferien musste Alescha, der bis dahin in der Wohnung seiner Verwandten gewohnt hatte, ein neues Atelier finden. Ein solches fand er an der North Side. Dort empfing er unter anderem endlich persönlich seinen Gönner De Kaufmann, der ihm auch weitere Kunden vermittelte. „Das Wichtigste für mich war natürlich, dass ich hier wieder richtig arbeiten konnte, als Maler ganz neue, große Motive fand, von denen ich in und um Chicago gleich eingehende Studien machte. Bis zum Beginn des Krieges ging das noch gut, dann entdeckte ich beim Anblick meiner geretteten Naturstudien aus Europa …, dass ich ein europäischer Maler war, der sich auch hier kontinuierlich weiterentwickeln musste; dass ich die schon in Montreux begonnene Methode aus Studien, durch strenge Komposition, richtiges, meist größeres Format langsam gute Bilder zustande zu bringen, hier weiterführen konnte. Erst in Chicago entwickelte ich Zwischenstudien. Ich erkannte, dass die Komposition, die das Bild zusammenhält, für den Anfang, ehe die Farbe zur Wirkung kommt, das Wichtigste ist.“
Rückkehr nach Österreich
Nach seiner fruchtbaren Zeit im amerikanischen Exil, ausgefüllt mit Reisen, Malen, Ausstellungen und Schreiben, kehrte Alescha 1947 auf Initiative des Wiener Kulturstadtrates Viktor Matejka wieder in seine alte Heimat zurück. Mit Edith Deisenhammer, die er in Österreich nach seiner Rückkehr kennengelernt hatte, verbrachte er noch viele schaffensreiche Jahre, in denen er auch den Kontakt zu seinen Freunden und Kollegen von früher wieder aufnahm. Alescha bereiste weiter Österreich und Europa und arbeitete unermüdlich in seinem Wiener Atelier sowie in seinem Türnitzer Refugium. Alljährliche 3-4 monatige Studienreisen führten ihn nach Italien, in die Schweiz, Frankreich oder Jugoslawien, wo er bei seinen Bergwanderungen Eindrücke sammelte, die er später in seinem Wiener Atelier verarbeitete. Noch 1990 arbeitete er an einem Buch über seine amerikanischen Jahre, das aber nicht mehr zur Veröffentlichung gelangte. In diesen Jahren fand Alescha die Zeit, viele ältere Skizzen und Entwürfe, deren Ausarbeitung er immer wieder aufgeschoben hatte, umzusetzen und zu größeren Bildern zu verarbeiten. Vieles davon geschah allerdings auch unter dem inneren Zwang, im Exil verlorene Bilder rekonstruieren zu müssen. So befruchtend das Reisen auf Aleschas Schaffen auch gewirkt haben mag, Flucht und Exil blieben nicht ohne seelische Narben. Sie konnten aber dem sensiblen Künstler nicht die Neugier am Entdecken, am Reisen und am Kennenlernen von Landschaften, deren Menschen und deren Lebensweisen nehmen.
So blieb Theodor Alescha, der am 24. März 1991 in Lilienfeld verstarb, bis ins hohe Alter agil und künstlerisch aktiv.
Bilder einer Reise. Leben und Werk Theodor Aleschas
by Arno Löffler
Kunstfreunden ist der Name Alescha heute noch ein Begriff. Sie denken dabei vornehmlich an die Ausstellung der Österreichischen Galerie im Schloss Belvedere im Jahre 1984, die Aleschas Werk wieder in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt hat. 1998, sieben Jahre nach seinem Tod, fand im Anton-Hanak-Museum in Langenzersdorf zum 100. Geburtstag des Künstlers noch einmal eine Sonderausstellung mit dem Titel „Theodor Allesch genannt Alescha“ statt. Seither ist es ruhig um diesen Künstler geworden, der Zeit seines Lebens zurückgezogen lebte und eher im Verborgenen wirkte. Dabei gehörte Theodor Allesch, der sich selbst „Alescha“ nannte, seinerzeit durchaus zu den etablierten Künstlern Österreichs; er war zweifellos kein Unbekannter. Sein Werk ist in den öffentlichen Sammlungen gut vertreten; allein die Artothek des Bundes nennt 15 Bilder ihr eigen.
Sein künstlerisches Schaffen steht keineswegs isoliert vom kunsthistorischen Kontext seiner Zeit. Seine Landschaften aus den Zwischenkriegsjahren, die ein Grossteil seines Oeuvres ausmachen und „wie gebaut“ wirken, verströmen einen ganz eigenen, völlig fremdartigen Reiz und sind doch eindeutig als Malerei der Zwischenkriegszeit erkennbar.
Theodor Alescha war ein sehr genau beobachtender und sehr genau arbeitender Mensch. Dieser Hang zur Exaktheit und zur Klarheit, ja zum Peniblen, wie er sich in der klaren Linienführung seiner Bilder widerspiegelt, lässt sich ebenso in Aleschas Beobachtungen und Reflexionen, die er in seinen Tagebüchern und Reiseberichten niedergelegt hat, feststellen. Alescha bereiste Europa und Amerika und nahm begierig die vielfältigen Eindrücke jener Gegenden in sich auf. Er beobachtete die Landschaften, durch die er kam und die Menschen, die er dort traf und suchte überall das Gespräch, was dem polyglotten Wissbegierigen niemals schwerzufallen schien. All diese Erfahrungen verarbeitete Alescha in seinen Bildern.
Unstetes Jungtalent
Theodor Alescha wurde am 23. April 1898 in Wien geboren. An der Realschule wurde sein Zeichenlehrer auf das herausragende künstlerische Talent des Jungen aufmerksam. Schon 1915, im Alter von 17 Jahren, trat Alescha in die Wiener Akademie der Bildenden Künste ein, wo er sich bei Prof. Rudolf Bacher dem Studium der Porträtmalerei widmete. Nicht sehr lange blieb er der Akademie und der dort gelehrten Malweise treu. Vielmehr faszinierte ihn die Natur, die Vielgestaltigkeit der Landschaftsformen, das Wechselspiel von Licht und Schatten und die Veränderung der Farben im Lauf der Jahreszeiten, obwohl er auch später die Darstellung von Personen nie aufgab. Schon bald zog es den jungen Künstler in die Ferne; die Eindrücke, die er auf seinen Reisen sammelte, namentlich die Landschaftseindrücke, wurden ihm zu einer nie versiegenden Quelle der Inspiration.1917 unternahm Alescha, dem Weltkrieg zum Trotz, seine erste größere Reise, die ihn nach Deutschland führte. In München gelang es ihm dabei erstmals, mehrere Bilder zu verkaufen.
Im letzten Kriegsjahr wurde Alescha noch zum Militär eingezogen, schaffte es aber trotzdem vor Jahresende, ins Ausland zu reisen, um sich künstlerisch fortzubilden und weiterzuentwickeln; in jener Zeit der allgemeinen Not und des täglichen Überlebenskampfes keine unbedeutende Leistung. Zunächst führte ihn sein Weg nach Triest, von dort aus fuhr er weiter nach München. In den folgenden Jahren, bis 1937, bereiste er mehrmals Italien mit Triest und Istrien, Russland, die Tschechoslowakei, Frankreich, Dänemark, Jugoslawien, Niederlande und die Schweiz. In Russland zogen ihn vor allem die beiden Kulturmetropolen St. Petersburg und Moskau an, wo er Kontakte zu Kulturminister Lunatscharskij knüpfte. In der Tschechoslowakei erregte Prag Aleschas besonderes Interesse; in der Schweiz besuchte er Ronco, Ascona, das Engadin, Zermatt, lebte im Waadtland und lernte unter anderen Romain Rolland kennen. An Frankreich faszinierten Alescha außer der landschaftlichen Schönheit insbesondere die Museen in Paris. Über seine Louvre-Besuche 1935 und 1936 führte er genauestens Buch. Aleschas Louvre-Tagebuch enthält neben zahlreichen Skizzen eingehende Beschreibungen der Bilder, die den Kunstreisenden am meisten faszinierten.
Auch später, in und nach den Jahren des Exils, das Alescha in der Schweiz, dann in Frankreich und schließlich in den USA verbrachte, hörte er nie auf, von der landschaftlichen Vielfalt dieser Welt und von den kulturellen Äußerungen ihrer Bewohner fasziniert zu sein und diese Faszination in Kunst umzusetzen.
Idealist und Schwärmer
Das geistige Leben des frühen 20. Jahrhunderts war von verschiedensten Entwürfen geprägt, welche die Gesellschaft radikal verändern wollten. Dem Zeitgeist entsprechend waren viele Menschen überzeugt, an einem historischen Wendepunkt zu stehen. Von diesen vielschichtigen Veränderungsideen waren keineswegs nur radikale Rechte durchdrungen, sondern auch Pazifisten wie die Wienerin Bertha von Suttner oder Vordenker und Akteure der sozialistischen Arbeiterbewegung.
Alescha war und blieb Zeit seines Lebens Sozialist humanistischer Prägung. Noch am 1. November 1990, wenige Monate vor seinem Tod, schreibt er in einem Brief an eine in der Schweiz lebende Freundin: „Du siehst, ich bin der Alte geblieben, bin von meinen sozialistischen Idealen nicht abgerückt - trotz der neuesten Trends.“ Aleschas sozialistische Überzeugung verfestigte sich nicht zuletzt auch durch seine Sowjetunion-Reise.
Seine politischen Vorstellungen wurden jedoch nie wirklich konkret, die Bindung an eine bestimmte Parteilinie war seine Sache nicht. Für Alescha bedeutete Sozialismus vor allem freie Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung jedes einzelnen Menschen. Für ihn wurde deutlich: Während bei den völkischen Rechten die germanischen Übermenschen die Welt retten sollten und bei den Sozialisten das befreite Proletariat die große Perspektive war, setzte Alescha auf das Veränderungspotential der Künstler, die er die „Erkennenden“ nannte. Der Zusammenhang von Kunst und sozialistischer Befreiung des Menschen beschäftigte Alescha schon früh. 1920 diskutierte Alescha im Anschluss an einen Vortrag des Bildhauers Anton Hanak, zu jener Zeit Professor an der Wiener Kunstgewerbeschule, mit diesem über „Das Verhältnis des Sozialismus zur Kunst.“
Den Künstlern, den „Erkennenden,“ den „Aktivisten,“ wuchs in Aleschas Denken die Rolle des Befreiers der geknechteten Menschheit zu.
Künstlerische Vorbilder und Inspirationsquellen
Der junge Alescha, der sich bisweilen auch als Reisereporter schriftstellerisch betätigte, war vielseitig literarisch interessiert und durch die Beherrschung mehrer Fremdsprachen sehr belesen. Philosophie, Literatur und Musik stellten für ihn als suchenden jungen Maler in den frühen Jahren eine große Bereicherung und wichtige Quelle für sein Schaffen und seine Weiterbildung dar.
Zwei wichtige Vorbilder im Leben waren für ihn der amerikanischen Dichter Walt Whitman (1819-1892) und der elsässische Romancier Otto Flake (1880-1963). Aleschas Vorliebe für Whitman begleitete ihn sein ganzes Leben hindurch.
Für Alescha als Maler war an der lebensbejahenden Weltsicht Whitmans entscheidend, dass alles Beobachtbare gleichermaßen wert ist, abgebildet zu werden, denn in allem offenbart sich dem aufmerksamen Individuum das Großartige des Seins, auch in Dingen, die auf jemanden, dem dieser Zugang fehlt, banal wirken. Die städtische Landschaft, auch sie ist, wie der Mensch, der sie geschaffen, nicht Gegensatz der Natur sondern diese selbst. ... Auch über ihr steht die Sonne, streift über sie wie über Prärien. ... Aber sehen die Menschen der Städte dies, wenn sie aus Büros und Fabriken strömen und so müde sind? - Oh wenige sind genug und der zähe helle Himmel der beginnenden Dämmerung ist für sie lange golden und grün um ihretwillen. Dies alles muss gemalt werden - es ist darzustellen wie phantastisch der Zug der Straßenbahnen ist, den Ring hinunter, golden in der Bläue des Abends, welch wunderbares Schauspiel eine Fabrik ist, die am Abend arbeitet - wie ein Licht leuchtet sie aus den dunklen Massen der Vorstadthäuser - All das ist die Aufgabe des antiromantischen Romantikers. ... Es ist nichts, das mir nicht wertvoll wäre und das für mich nicht eine Seele hätte, die mich um Ausdruck anfleht.
In einem Brief an Erich Wellisch schreibt Alescha ausdrücklich, er wolle in Whitmanscher Manier malen.
Malervorbild Ferdinand Hodler
Einen wichtigen Stellenwert in Aleschas Werk nahm der Schweizer Maler Ferdinand Hodler (1853-1918) ein. Der einzelgängerische Hodler, der für seine kantigen Landschaften lange Jahre vernichtende Kritiken einstecken musste, bis er in seiner Wahlheimat Genf schließlich Erfolge feierte, war für den jungen Alescha ein großes Vorbild.
In seinem Tagebuch exzerpierte der begeisterte Alescha ausgiebig aus einem schwärmerischen Aufsatz des schweizerischen Dichters Hermann Kesser (1880-1952), mit dem Titel Züge Ferdinand Hodlers: „O tapferster Ferdinand Hodler! Schon als Beispiel für echten, einsamen Heldenmut müsstest du lebendig bleiben!“ Ferdinand Hodler sah sich trotz seiner unvollkommenen Bildung, ähnlich wie Whitman und Alescha, immer als „Denker,“ im Gegensatz zu den „Nur-Malern,“ und bemühte sich schon in seinen Frühwerken der Siebziger Jahre nicht nur um bestes Handwerk, sondern versuchte stets, seinen Realismus über das bloße Abmalen der äußeren Wirklichkeit hinauszuführen: Seine Landschaftskunst folgte der Entwicklung über Plenair und Impressionismus, bis sie nach 1890 Anschluss beim hohen Stil seiner figürlichen Darstellungen fand. In einer nie gesehenen Art der Gestaltung wurde Hodler der klassische Maler der Schweizer Berge und Seen. Bei seiner Bildaufteilung bediente er sich einer Technik, die er „Parallelismus“ nannte. Dabei handelt es sich um rhythmische Wiederholungen gleicher Formen und Farben. Aleschas aus rhythmisch angeordneten Farbflächen nüchtern „gebaute“ Landschaften, die auf den Betrachter oft einen monumentalen Eindruck machen, erinnern in der Tat stark an den Einfluss Holdlers.
Frühe Hinwendung zur Landschaftsmalerei
Schon bei seiner ersten Triest-Reise 1918 hatte der damals 20jährige Alescha seine besondere Liebe zu Istrien und Italien entdeckt. 1921 brach er erneut zu einer Reise nach Italien auf. Aleschas Reisetagebuch von jener Zugfahrt ist voll Notizen von Gesprächen mit seinen Zeitgenossen. So unterhielt er sich im Abteil mit italienischen Kriegsheimkehrern, die aus russischer Gefangenschaft unter zu den roten Bürgerkriegstruppen gekommen und dort zu überzeugten Bolschewiken geworden waren; nun wollten sie die Revolution in ihre Heimat tragen. Alescha unterhielt sich auch mit russischen Juden, die ihm erzählten, sie seien vor Progromen der konterrevolutionären „Weißen“ geflohen und nach Palästina unterwegs, um sich dort eine neue Existenz aufzubauen. Der junge, schwärmerische Alescha zeigt sich in seinem Tagebuch vom Enthusiasmus der zionistischen Pioniere angesteckt. Auch er wollte eine neue Welt für sich erschaffen, eine neue Welt in Bildern. Während der Zug Italien zustrebte, plauderte Alescha mit seinen Reisegefährten auf Italienisch, das er offenbar sehr gut beherrschte, und auch auf Russisch. Das Jiddisch, das eine Frau aus der Gruppe der Zionisten sprach und das Slowenisch eines der „roten Heimkehrer,“ wie er sie in seinem Tagebuch nannte, scheint er ebenfalls einigermaßen verstanden zu haben. Nebenbei hielt er die Landschaft in Worten fest, die bereits seine späteren Pastelle erahnen lassen: „Nun wird das Murtal enger, und ganz hohe Gebirge schwingen oberhalb Judenburg unter dem grauen Himmel. Wir umfahren einen Felskegel, der wie das Urbild eines Berges wirkt, sein Skelett tritt zutage - er zeugt uns bei der Schnellfahrt des Zuges immer neue Felsrippen, auf denen bis zum Gipfel hinauf einzelne Fichten stehen, wie schwarze Flammen. Das gibt seiner Silhouette etwas Phantastisch-Nordisches.“
Die 20er Jahre: Künstlerischer Drang und wirtschaftlicher Zwang
In Istrien, das die Italiener aus der Konkursmasse der k.u.k. Doppelmonarchie für sich gerettet hatten, verbrachte Alescha einige prägende Monate, vor allem in und um Capodistria. Doch sein eigentliches Ziel lag jenseits der Adria. Um dieses zu erreichen, sah sich Alescha gezwungen, Porträtaufträge anzunehmen, um sich so die Weiterfahrt zu verdingen. Zwar hatte er in Wien Porträtmalerei studiert, doch war ihm das Porträtieren um des Geldes willen ein Graus. Im April 1921 notiert er: „Verfluchtes Geld. Nur in der Hoffnung Alt-Italien zu sehen tue ich es und der Welt zuliebe“. Als Alescha im Mai in seinem Tagebuch sein Verständnis von der „Aufgabe des Menschenmalers“ zu definieren versucht, geraten ihm in seine Ausführungen immer wieder Gedanken zur Landschaftsmalerei, seiner wahren Berufung: „Das Bild sei etwas streng ins Format komponiertes; jede Stelle ist wichtig, da es geschlossen ist, nicht rund, verfließend ohne feste Grenze wie die Landschaft, die Wirklichkeit, die Natur mit freiem Horizont, der unendliche Möglichkeiten des Bildausschnittes bietet. … Was geht es mich an, dass jener Bursche, dessen Kopf mir sympathisch ist, durch die Wirklichkeit, die Not, gezwungen wurde, in einer Ziegelei zu arbeiten? Um ihn ist die Stimmung der Karstflächen von Doberdò, oder erinnert an die Felsklüfte des Isonzo - ich male phantastische Gipfel hinter ihm aufgetürmt, stelle seinen prächtigen finnisch-slawischen Kopf in ganz helles Morgenlicht, die Gipfel in Nebel, der schwer von feuchter Erde duftet - ein Naturalist würde ihn als Ziegelschöpfer malen.“
Bei allem Interesse für die sozialen Fragen der Gegenwart ist die Darstellung der konkreten Lebenssituation der arbeitenden Menschen nicht Aleschas Sache. Bei seinen Personendarstellungen kommt es ihm eher auf abstrakte Typen an, auf eher allgemeine Gemüts- oder Seelenzustände, die er am Beispiel des oder der Abgebildeten in beinahe allegorischer Manier ausführt. Auch deutet sich an, dass landschaftliche Aspekte seiner Kunst, anfänglich als psychologisierende Hintergründe verstanden, Alescha eigentlich mehr interessieren als die Personen im Vordergrund. Die strenge Komposition, die ihm vorschwebt, scheint ihm im landschaftlichen Kontext, dessen, „was er schön findet und bemerkenswert auszuwählen“ besser zu verwirklichen.
Alescha arbeitete auch in Öl, aber bereits überwiegend in Pastell, auch aus wirtschaftlichen Gründen. Denn in Pastell konnte er schneller und billiger arbeiten. Auf die Lira genau rechnet er sich aus, wie viel er brauchen würde, um die großen Stätten der Kunst bereisen zu können. „Wenn ich, im Sommer, 1500 - 2000 Lire in barem Geld habe, fahre ich nach Venedig und Florenz um zur großen Kunst zu gelangen, nach Rom, nach Paris, in die Welt!“ Alescha klagte über sein minderwertiges Malmaterial, „das bisschen Pastellmalen“ nimmt er zunächst selbst nicht recht ernst. Ihm sind seine Pastelle eher Studien für später auszuführende Ölbilder. Es drängt ihn nach künstlerischer Verwirklichung, nach künstlerischer Freiheit und wirtschaftlicher Unabhängigkeit, denn „Was ich jetzt mache, hat meist nur wenig mit Kunst zu tun.“ Obwohl er sich selbst beschwört: „Ich muss vor allem - in Rom, Paris oder Wien - Akt malen, Menschen, Menschen malen!“ sind auffälligerweise fast sämtliche Pastellstudien, die er im Mai 1921 für eine spätere Ausführung in Öl als „gute expressionistische Bilder“ vorsieht, istrische Landschaften.
Italien und die Kulturstadt Venedig
Im Mai 1921 kehrte Alescha von einer Woche Venedig nach Istrien zurück. Er hatte einen gehörigen Kulturschock zu verdauen. „Ich habe Venezia gesehen und die goldene Basilika gemalt und Paläste, Gondeln vor S. Giorgio Maggiore - monumentale Kirchen, Paläste, Kanäle, habe eine Woche die Luft der Lagunen und die üppige ... Luft der Stadt eingeatmet...sieben Studien mitgebracht (drei, fast die besten musste ich verkaufen) was ist das Ergebnis ... Das Ergebnis? Sonderbar, fast scheint mir als sei Venedig zu schön und mir zu bekannt, zu europäisch, zu heimatlich. ... Gar nicht fremd erschien es mir, so viel hatte ich von ihm geträumt .... in Venedig fühlt man deutlich dass es für diese Stadt ein Weiter im künstlerischen Sinn nicht gibt. Sie steht da, vollendet, unendlich, am Ende glänzend wie der Mond, leuchtend und erstarrt.“
Bei aller Bewunderung befremdete den jungen Maler der von ihm so empfundene museale Charakter Venedigs, ja Italiens. Seinen Hunger nach Erneuerung, nach dem Neuen schlechthin, wollte Alescha am liebsten auf die ganze Welt übertragen und keinen Stein auf dem anderen lassen - eine typische Vorstellung der damaligen Moderne!
Bis zu seiner aus Geldnot erzwungenen Rückreise nach Wien im Juli knüpfte Alescha viele Kontakte mit Einheimischen und Fremden, nahm Aufträge an, malte Porträts und Landschaften. Die Landschaftsschilderungen nahmen in Aleschas Tagebuchaufzeichnungen auffallenderweise immer mehr Raum ein. Alescha schien, wenn auch der Rest des Jahres 1921 für ihn nicht den gewünschten Durchbruch brachte und er eine erneute Italienreise im September schon bald wieder beenden musste, sein Metier gefunden zu haben. Wenngleich Alescha auch später gelegentlich noch Porträts malte, so war er doch in späteren Jahren wie 1932 bei seinen Reisen ins Tessin und im Wallis von seinem Selbstverständnis her schon ganz Landschaftsmaler.
Die Jahre zwischen 1920 und 1934 waren von vielen Reisen, vor allem ins benachbarte Italien, aber auch in die Schweiz, Frankreich, Deutschland geprägt, in denen er als reisender Maler ausreichend von seiner Kunst zu leben verstand. Aufträge, Gruppenausstellungen sowie Aleschas zahlreiche internationale Kontakte und Verbindungen, die er durch sein aufgeschlossenes Wesen und seine Sprachengewandtheit gewann, bildeten die Basis dieser fruchtbaren Jahre.
1934-1938: Exiljahre in der französischen Schweiz
Wie so viele andere österreichische Künstler kehrte auch Alescha während der Zeit des Austrofaschismus und des Nationalsozialismus seiner Heimat den Rücken. Viele Künstler und Intellektuelle hielten es, mehr schlecht als recht, teilweise noch bis zum Anschluss an das nationalsozialistische Deutschland im März 1938 in Wien aus. Alescha war jedoch schon im Frühling 1934 unter Mitnahme des größten Teils seiner Naturstudien, der Tagebücher und seiner Bibliothek in die Westschweiz gegangen und hatte am Genfersee zu malen begonnen.
„Ich entdeckte dort ganz prächtig aufgebaute Landschaftsmotive mit rustikaler Architektur, wie ich sie liebe - und weiter oben, gegen Montreux [Waadtland] zu, große Berghintergründe. - Schon zwei Jahre vorher hatte ich über Zermatt [Wallis] meine Feldstaffelei bis 3500 Meter hinaufgetragen, Dort, im Val d’Anniviers, fand ich meine höchsten Gletschermotive, wie ich sie später auch im Engadin entdeckte.“ Dem begeisterten Alpinisten Alescha kamen immer wieder seine Kontakte zu Bergsteigern, aber auch zu Auftraggebern, Kunstfreunden oder überhaupt wohlmeinenden Menschen zugute, die für ihn bürgten oder ihm eine Unterkunft verschafften. Solche glücklichen Begegnungen, die Alescha immer wieder unverhofft weiterhalfen, nannte er „Reisewunder.“ Zeitweilig hielt sich Alescha im Wallis, in den Niederlanden, in Belgien, in Paris und auch in Bern auf.
Nach Wien kam Alescha in jenen Jahren nur noch zu Weihnachten, zuletzt 1937, auf Bitten seiner Mutter, zu der er ein sehr enges Verhältnis hatte. Dort verbrachte er um den Jahreswechsel glückliche Tage mit seiner Familie und mit Freunden, die er dazu bewegen wollte, mit ihm in die Schweiz zu gehen. Auch seine Künstlerkollegen sah er noch einmal: „Im Jänner gab es noch ein Fest im Hagenbund, in dem ich so oft ausgestellt hatte. Die Malerfreunde, die ich am meisten schätzte und kannte, waren Georg Merkel, Carry Hauser, Gütersloh und Jungnickl. Diesmal war auch Grete Wiesenthal mit uns, die uns sehr gefiel.
„Durch einen Porträtauftrag bis Mitte Mai [in Wien] festgehalten,“ reiste Alescha erst nach dem Anschluss Österreichs ans Deutsche Reich wieder zurück in seine Unterkunft in Tavel-sur-Clarens. Dort stellte er bestürzt fest, dass seine Aufenthaltsbewilligung für die Schweiz abgelaufen war, konnte aber zunächst bei der Fremdenpolizei einen Aufschub erwirken. Das war nicht selbstverständlich; Alescha berichtete in seinen Aufzeichnungen von anderen Österreichern, die in jener Zeit nur knapp oder gar nicht einer Internierung in der Schweiz entgingen.
Schlussendlich bewirkte die Fremdenpolizei aber doch Aleschas Ausweisung aus der Schweiz, wobei sie ihm einen Aufschub von fünf Monaten gewährte. In der Unterkunft in Tavel wurde es eng: Mittlerweile waren Aleschas Mutter und auch seine Schwester Hanna mit ihrem ungarischen Mann Paul und Tochter Lea auf der Flucht vor den Nazis aus Wien angekommen. Durch die Hilfe eines russischen Emigranten, der Kontakte nach New York hatte, erhielt Aleschas Schwager im Frühjahr 1939 ein amerikanisches Visum für sich und seine Familie.
Zwischenstation Frankreich
Am 13. November 1938 verließ Alescha, mit einem ungültigen österreichischen Pass in der Tasche, die Schweiz in Richtung Paris. Ein Lausanner Stadtrat, mit dem Alescha etliche Bergtouren unternommen hatte, ermöglichte ihm die Einreise nach Frankreich, indem er ihn dem Bürgermeister von Evian-les-Bains, auf der französischen Seite des Genfersees, vorstellte. Durch einen Porträtauftrag hatte Alescha zudem einen Kontakt in Paris, wo er den Bürgermeister von Vienne-sur-Rhône kennenlernte. Dieser riet Alescha, das von Flüchtlingen überlaufene Paris möglichst bald wieder zu verlassen und stattdessen zu ihm nach Vienne zu übersiedeln. Alescha wollte aber aus künstlerischen Gründen lieber in den Bergen leben und arbeiten und ließ sich von dem Bürgermeister ein Empfehlungsschreiben an die Präfektur von Isère in Grenoble und ein weiteres für das dortige Musée de Peinture & Sculpture ausstellen. In der ihm in Paris verbleibenden Zeit traf Alescha emigrierte Malerkollegen wie Georg Merkel, Willy Eisenschitz, „dessen Landschaften ich seit Assisi 1922 gut kannte und schätzte,“ und machte die Bekanntschaft des „rasenden Reporters“ Egon Erwin Kisch.
Gegen Weihnachten 1938 stellte sich Alescha auf der Präfektur in Grenoble und bei Pierre Andry-Farcy, dem Konservator des Museums, vor. Alescha schätzte ihn sehr für dessen Engagement für die Moderne, speziell die „Fauves.“ Nachdem er sein Gepäck aus der Schweiz nachgeholt hatte, richtete sich Alescha in einem Landhaus aus dem 15. Jahrhundert in Bouqéron-sur-Grenoble ein und ließ seine Mutter nachkommen.
In Bouqéron stürzte sich Alescha „glücklich und hoffnungsvoll“ in die Arbeit: „Ich entdeckte am Rand der Berge über dem fruchtbaren schon recht südlichen Tal "Graisivaudan" von steilen, im Süden schon sehr alpinen Bergen umgeben, einige Motive, die mich faszinierten. Ich studierte sie zuerst in Pastelltechnik und verarbeitete sie später zu größeren Ölbildern.“ In der Kunsthandlung Frappat nahm Alescha mit einigem Erfolg an einer Kollektivausstellung teil.
Der Überfall Deutschlands auf Polen am 1. September 1939 machte dem geruhsamen Dasein Aleschas in Bouqéron ein Ende. Alescha wurde von der Gendarmerie verhaftet und angewiesen, sich in einem Sammellager in Grenoble zu melden. Dort traf er viele andere österreichische Flüchtlinge aus Südostfrankreich. Nach einer Woche wurden die Internierten ins Militärlager Chambrand in der Drôme verbracht. Alescha setzten die ungesunden Zustände im Lager sehr zu und wurde krank. Ein Lagerarzt erwirkte schließlich Aleschas Entlassung, worauf er nach Bouquéron zurückkehren konnte. Um einer erneuten Internierung zu entgehen, liess sich Alescha von einem Grenobler Arzt für herzkrank erklären und ging fortan kaum mehr aus dem Haus. Nachdem er auf der Präfektur seine Lage geschildert hatte, erhielt er die Erlaubnis, seinen Wohnsitz höher hinauf in die Berge zu verlegen. Im Bergdorf Provéyzieux mietete Alescha, im Spätherbst 1939, ein leerstehendes Bauernhaus. Dort, in sicherer Entfernung von der Gendarmerie im Tal, fand Alescha wieder Ruhe zum Bergsteigen und zum Malen.
Im Frühjahr 1940 las Alescha bestürzt in den Grenobler Zeitungen vom Überfall Deutschlands auf Dänemark. Mittlerweile war jedoch De Kaufmann, den er per Zufall 1922 in Rom kennengelernt und dem er eine große Anzahl von Arbeiten verkauft hatte, dänischer Botschafter in Washington geworden. Mit diesen und weiteren, durch De Kaufmann vermittelten Bildverkäufen hatte sich Alescha damals seine Italienreise finanziert. Bei De Kaufmann in Washington antichambrierte nun Aleschas Schwester Hanna für sich und ihren Bruder. „Der dänische Gesandte versprach, beim Präsidenten Roosevelt, mit dem er befreundet war, alles für uns zu tun.“ In Chicago setzte sich Aleschas Schwester ebenfalls für ihn ein: Carl O. Schniewind, dem Kurator für Drucke und Graphiken am Art Institute of Chicago, zeigte sie mit Erfolg die Ölbilder, Pastelle und Holzschnitte, die sie mit nach Chicago genommen hatte. Noch im Sommer erhielt Alescha eine Einladung zur Teilnahme an einer Kollektivausstellung der „United American Artists of Chicago“, was den entscheidenden Anstoss für Aleschas Amerika-Fahrt bilden sollte.
Wenigstens war Alescha im Moment nicht unmittelbar bedroht; er arbeitete, empfing zahlreiche Besucher und unternahm Bergtouren in der Umgebung. In diesem Zusammenhang lernte er auch den Künstler und Kunsttheoretiker André Lhote und dessen Freundin kennen, die er beide porträtierte.
Anfang 1941 wurde Alescha mehrfach gewarnt, sein Name befinde sich „auf der berüchtigten Gestapoliste“ und er solle sich lieber mit einem amerikanischen Notfallvisum nach Marseille aufmachen. Der Alescha freundlich gesonnene Vizekommandant der Grenobler Gendarmerie könne ihn nicht ewig vor der Internierung im berüchtigten Lager Gurs schützen.
1941: Aufbruch nach Amerika
Alescha erhielt tatsächlich ein solches Visum, woraufhin er gemeinsam mit seiner Mutter die Reise nach Chicago antrat. Über Aix-en-Provence fuhren die beiden mit Koffern, Skiern und einer Balalaika schwer bepackt am 12. März 1941 mit dem Zug nach Marseille. Alescha erwarb dort nicht nur über ein Hilfskomitee zwei Schiffbilletts von Lissabon nach New York, sondern nutzte die Zeit in der Provence auch zum Wandern und Malen. Besonders angetan war er vom Ausblick auf den Garlaban, den er ebenfalls abbildete: „Denn hier ist ein besonderer Platz – hier beginnen die Alpen, die in tausend Gipfeln erst bei Wien enden. Also ein für mich feierlicher Blick.
Am 28. März ging es weiter; bis zum 2. April dauerte die Zugfahrt durch das Spanien Francos.
Im ebenfalls neutralen Portugal angekommen, unternahm Alescha sogleich Malausflüge in der Lissaboner Umgebung: „Ich fand oft vom Sturm zerbrochene große Pinien und an schönen Tagen unvergessliche Motive.“ Bei der Wohnungssuche half wieder die Empfehlung eines Kunstliebhabers aus Grenoble weiter. Auch sonst waren die Flüchtlinge nicht ganz auf sich gestellt: Hilfskomitees bemühten sich und Bekanntschaften mit anderen Flüchtlingen sowie die Malerei verkürzten die Wartezeit. Der regnerische April liess nicht viel Arbeit im Freien zu, aber den Mai verbrachte Alescha großteils auf Malausflügen in den Sierras um Lissabon und Sintra.
Am 3. Juni 1941 stach Alescha endlich in See. Die lange Zeit der Überfahrt vertrieb er sich mit politischen Gesprächen, mit Gesang, Balalaikaspiel und Whitmans Büchern, die er auch einer Reisebekanntschaft vorlas, die in Hollywood das große Glück zu machen hoffte. Als sich das Schiff New York näherte und einige Journalisten an Bord kamen, wurde Alescha geraten, etwas für seine Bekanntheit als Exilkünstler in den USA zu tun und der Presse von sich zu erzählen. Doch Alescha blieb lieber an Deck und bestaunte die New Yorker Skyline.
1941-1947: Chicago
In New York wartete seine Schwester auf die Neuankömmlinge. Glücklich vereint, fuhren sie mit dem Zug nach Chicago, wo das Art Institute Alescha für einige Zeit ein Atelier zur Verfügung stellte. In die Zeit erster Wolkenkratzerstudien platzte die Nachricht vom Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion wie eine Bombe.
Im Sommer 1941 wiederholte Alescha noch einmal seinen New Yorker Fehler in Sachen Öffentlichkeitsarbeit: Ein Herr legte ihm einen Fragebogen vor, der Alescha an den Fragebogen erinnerte, den er schon auf dem Dampfer hatte ausfüllen müssen, und den er darum nicht mehr ausfüllen wollte. Wie sich herausstellen sollte, handelte es sich um eine Erhebung für eine Künstlerdatei der Kongressbibliothek in Washington.
Doch bald erhielt Alescha wieder Porträtaufträge. Ihm wurde vorgeschlagen, im noblen Charleston auszustellen, was Alescha jedoch mit dem Hinweis ablehnte, er wolle zuerst in New York ausstellen. Durch die Ausstellung in Chicago, deretwegen er von Provézieux aufgebrochen war, lernte er die Malergruppe United Artists of America kennen. „Durch sie erlebte ich die letzten Monate der WPA Bewegung, die Roosevelt ins Leben gerufen hatte“ Durch die WPA, ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für Künstler im Rahmen von Roosevelts New Deal, kamen in jener Zeit Künstler sehr leicht an grosse und billige Ateliers sowie öffentliche Aufträge. Durch Vermittlung von Mitgliedern der United Artists nahm Alescha an zwei weiteren Ausstellungen teil. Die erste fand in einem großen Chicagoer Kaufhaus statt, anlässlich derer Alescha feststellen musste, dass in der Presse nur jene Künstler ausführlich rezensiert wurden, die die Kritiker bestochen hatten. „Alescha exposes lovely landscapes“ war die einzige kostenlose Pressereaktion auf seine Bilder. Die zweite Ausstellung fand zugunsten des Chinese War Relief statt.
Am Ende der Sommerferien musste Alescha, der bis dahin in der Wohnung seiner Verwandten gewohnt hatte, ein neues Atelier finden. Ein solches fand er an der North Side. Dort empfing er unter anderem endlich persönlich seinen Gönner De Kaufmann, der ihm auch weitere Kunden vermittelte. „Das Wichtigste für mich war natürlich, dass ich hier wieder richtig arbeiten konnte, als Maler ganz neue, große Motive fand, von denen ich in und um Chicago gleich eingehende Studien machte. Bis zum Beginn des Krieges ging das noch gut, dann entdeckte ich beim Anblick meiner geretteten Naturstudien aus Europa …, dass ich ein europäischer Maler war, der sich auch hier kontinuierlich weiterentwickeln musste; dass ich die schon in Montreux begonnene Methode aus Studien, durch strenge Komposition, richtiges, meist größeres Format langsam gute Bilder zustande zu bringen, hier weiterführen konnte. Erst in Chicago entwickelte ich Zwischenstudien. Ich erkannte, dass die Komposition, die das Bild zusammenhält, für den Anfang, ehe die Farbe zur Wirkung kommt, das Wichtigste ist.“
Rückkehr nach Österreich
Nach seiner fruchtbaren Zeit im amerikanischen Exil, ausgefüllt mit Reisen, Malen, Ausstellungen und Schreiben, kehrte Alescha 1947 auf Initiative des Wiener Kulturstadtrates Viktor Matejka wieder in seine alte Heimat zurück. Mit Edith Deisenhammer, die er in Österreich nach seiner Rückkehr kennengelernt hatte, verbrachte er noch viele schaffensreiche Jahre, in denen er auch den Kontakt zu seinen Freunden und Kollegen von früher wieder aufnahm. Alescha bereiste weiter Österreich und Europa und arbeitete unermüdlich in seinem Wiener Atelier sowie in seinem Türnitzer Refugium. Alljährliche 3-4 monatige Studienreisen führten ihn nach Italien, in die Schweiz, Frankreich oder Jugoslawien, wo er bei seinen Bergwanderungen Eindrücke sammelte, die er später in seinem Wiener Atelier verarbeitete. Noch 1990 arbeitete er an einem Buch über seine amerikanischen Jahre, das aber nicht mehr zur Veröffentlichung gelangte. In diesen Jahren fand Alescha die Zeit, viele ältere Skizzen und Entwürfe, deren Ausarbeitung er immer wieder aufgeschoben hatte, umzusetzen und zu größeren Bildern zu verarbeiten. Vieles davon geschah allerdings auch unter dem inneren Zwang, im Exil verlorene Bilder rekonstruieren zu müssen. So befruchtend das Reisen auf Aleschas Schaffen auch gewirkt haben mag, Flucht und Exil blieben nicht ohne seelische Narben. Sie konnten aber dem sensiblen Künstler nicht die Neugier am Entdecken, am Reisen und am Kennenlernen von Landschaften, deren Menschen und deren Lebensweisen nehmen.
So blieb Theodor Alescha, der am 24. März 1991 in Lilienfeld verstarb, bis ins hohe Alter agil und künstlerisch aktiv.