Theodor Alescha
Ein Maler auf Reisen
by Arno Löffler
„Mein Charakter verlangt nach Mitteilung und zugleich Dokumentierung, Deutung der Erlebnisse ... mich je ganz in Worten ausdrücken zu können, erscheint mir instinktiv als Unmöglichkeit; dies ist es, was trotz mancher stilistischer Siege mich vom Schriftsteller für immer unterscheiden wird, was mich zuletzt immer hindert, hier ganz zu werden. Ich bin -fortwährend auch hier - Maler. Heute jedoch erkenne ich - wie so oft schon die Notwendigkeit des Ausdrucks für mich ... es ist soviel Drängendes, Verworrenes in mir, wie Explosionsstoff; wenn ich den nicht irgendwie entferne, fliege ich in die Luft.“ Diese 1921 während einer Italienreise ins Tagebuch notierten Zeilen geben Einblick in die Gefühlswelt Theodor Aleschas, die paradigmatisch für das Empfinden einer ganzen Künstlergeneration nach dem Ersten Weltkrieg waren.
Wien als Ausgangspunkt
Theodor Alescha wurde 1898 im Wien des Kaiserwalzers und der Operette, von Österreich-Ungarn und der böhmischen Küche, der Ringstraßenfeudalität und der Schwarzmarktkohle, der Décadence des Fin de siècle sowie der Geheimnisses des Unbewussten und der Träume geboren.
Mit 17 Jahren trat er in die Wiener Akademie der Bildenden Künste ein, wo er sich bei Prof. Rudolf Bacher dem Studium der Porträtmalerei widmete. Der dort gelehrten Malweise blieb er nicht lange treu.
Noch im letzten Kriegsjahr zum Militärdienst eingezogen, schafft er es trotzdem, ins Ausland zu reisen, um sich künstlerisch fortzubilden und weiterzuentwickeln.
Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges war nicht nur die Monarchie und ihr Vielvölkerstaat zerschlagen worden, auch eine kulturelle und künstlerische Ära war zu Ende gegangen. Die Kunst der Jahrhundertwende prägende Erscheinungen wie Gustav Klimt, Egon Schiele, Otto Wagner und Kolo Moser waren tot, Jugendstil und Sezessionismus hatten ihre bestimmende Rolle verloren. Nach dieser politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Zäsur beschäftigte vor allem die Suche nach zeitgemäßen Ausdrucksformen die Kunstschaffenden. Viele der im Hagenbund, einer eher progressiven Künstlergruppe, vereinigten Künstler sahen im Stil- und Formenvokabular des Expressionismus ihre Möglichkeiten.
Hinwendung zur Landschaftsmalerei
1923 stellte Theodor Alescha auf Einladung von Georg Merkel das erste Mal im Hagenbund aus. Besonders seine Reisen nach Italien, Jugoslawien und in die Schweiz, verbunden mit der Wiederentdeckung mediterraner und alpiner Gegenden, machten ihn in den Augen seiner Malerfreunde Carry Hauser, Josef Floch und Georg Merkel zu einem interessanten Pionier der Landschaftsmalerei. Aleschas Bildkunst war im Vergleich zu den Arbeiten seiner Künstlerfreunde von einer realistischeren Landschaftsauffassung geprägt. Ein wichtiges Vorbild waren für ihn die kantigen Landschaften des Schweizer Malers Ferdinand Hodler. Dieser bediente sich in seiner Bildaufteilung einer Technik, die er „Parallelismus” nannte. Dabei handelt es sich um rhythmische Wiederholungen gleicher Formen und Farben. In der Tat weisen die aus regelmäßig angeordneten Farbflächen nüchtern gebauten Landschaften Aleschas diesen Einfluss auf. Dabei sind seine Landschaften meist menschenleer, wie in einer Schöpfung, in die der Mensch noch keinen Zugang gefunden hat oder als er die von ihm teilweise verwandelte Landschaft bereits wieder verlassen hätte und nur einige seiner Spuren wie terrassierte Strassen oder ein Boot am Strand zurückgelassen hätte.
Obwohl Alescha den Menschen in seinen Tagebüchern breiten Raum widmet, verbannt er sie aus seinen Landschaften. Vorwiegend finden sich in seinen Landschaftsbildern Küsten- und Stadtansichten, Bergpanoramen und Gletschermotive. „Sie alle kommen seiner Tendenz zur Übersteigerung, zur Monumentalisierung der Landschaft entgegen, er erschafft die steilen Hänge nochmals steiler, schneidet Rinnen, Terrassen, Strassen, Klüfte, noch tiefer als die Natur, bringt eine Bewegung der Landschaft in tiefen wie musikalischen Wellen.“ (Regine Schmidt) Dazu notiert er in sein Tagebuch: „Das Bild sei etwas streng ins Format komponiertes; jede Stelle ist wichtig, da es geschlossen ist; nicht rund, verfließend, ohne feste Grenze wie die Landschaft, die Wirklichkeit, die Natur mit freiem Horizont, der unendliche Möglichkeiten des Bildausschnittes bietet.“ (Theodor Alescha, Tagebuch Mai 1921) Alescha arbeitet mit Ölfarben, aber überwiegend in Pastell, auch aus wirtschaftlichen Gründen. Denn in Pastell kann er schneller und billiger arbeiten. Parallel zu seinen Bildern hält er in seinen schriftlichen Aufzeichnungen Landschaftsschilderungen fest.
Reisen in Europa
Die Jahre zwischen 1920 und 1934 sind durch intensive Reisetätigkeit ins benachbarte Italien, aber auch in die Schweiz, Frankreich, und Deutschland geprägt, in denen er als reisender Maler ausreichend von seiner Kunst zu leben versteht. Viele dieser Reiseeindrücke und Naturerfahrungen verarbeitet Alescha in seinen Bildern. So entstehen dynamisch-rhythmisierte Landschaften in kraftvollen, übersteigerten Farben, die kennzeichnend für sein Werk stehen. Die Landschaften aus den 20er und 30er Jahren, die einen Grossteil seines Oeuvres ausmachen, verströmen einen eigenen, fremdartigen Reiz und sind eindeutig als Malerei der Zwischenkriegszeit erkennbar. Aufträge, Gruppenausstellungen sowie Aleschas zahlreiche internationale Kontakte und Verbindungen, die er durch sein aufgeschlossenes Wesen und seine Sprachengewandtheit gewinnt, bilden die Basis dieser fruchtbaren Periode.
In diesen Jahren lernt er viele interessante Persönlichkeiten kennen. So knüpft er auf einer Russlandreise Kontakt zu Kulturminister A. W. Lunatscharskij und lernt in der Schweiz Romain Rolland kennen. Von seiner Russlandreise heimgebrachte Bilder verkauft Alescha u.a. auch an Stefan Zweig, den er oftmals in seinem Salzburger Haus besucht. Die Grenzen seiner künstlerischen Tätigkeit überschreitend, kommen dem begeisterten Alpinisten immer wieder seine Kontakte zu Bergsteigern, Auftraggebern, Kunstfreunden oder überhaupt wohlmeinenden Menschen zugute, die für ihn bürgen oder ihm eine Unterkunft verschaffen. Solche Begegnungen, die Alescha immer wieder unverhofft weiterhelfen, nennt er „Reisewunder“. Zeitweilig hält sich Alescha im Wallis, in den Niederlanden, in Belgien, in Paris und Bern auf, wo er im Herbst 1935 auch Albert Einstein kennenlernt.
Zwischenstation Frankreich
Wie so viele andere österreichische Künstler kehrt Alescha während der Zeit des Faschismus und des Nationalsozialismus seiner Heimat den Rücken. Er geht im Frühling 1934 unter Mitnahme des größten Teils seiner Naturstudien, der Tagebücher und seiner Bibliothek in die Westschweiz nach Genf. Nach Wien kommt Alescha in jenen Jahren nur noch zu Weihnachten, zuletzt 1937. Im Frühjahr 1938 verlässt Alescha, mit einem ungültigen österreichischen Pass in der Tasche, die Schweiz in Richtung Paris. Ein Lausanner Stadtrat, mit dem Alescha etliche Bergtouren unternommen hatte, ermöglicht ihm die Einreise nach Frankreich. Der Überfall Deutschlands auf Polen im September 1939 machen der relativ sicheren Existenz Aleschas in Bouqéron ein Ende. Alescha wird von der Gendarmerie verhaftet und angewiesen, sich in einem Sammellager in Grenoble zu melden. Dort trifft er viele andere österreichische Flüchtlinge aus Südostfrankreich. Aufgrund seiner Kontakte und seiner Sprachgewandtheit wird er wieder entlassen, jedoch bald von Freunden gewarnt, dass er auf der Gestapoliste stehe und sie ihn nicht mehr vor der Internierung im berüchtigten Lager Gurs schützen könnten. 1941 flüchtet er schließlich aus Frankreich über Spanien nach Lissabon, von wo er sich nach New York einzuschiffen gedenkt. Auch auf dieser Flucht findet er Zeit zu malen und im Tagebuch seine Landschaftseindrücke zu notieren: „Oliven graugrün, hellgrüne junge Bäume zierlich aneinandergereiht auf rosabrauner Erde - Schatten von Wolken über allem - rotbraunes Dorf mit Campanile am Hügel - hoch oben die Sonne hell glänzend - Wolkenschatten über der Landschaft,...“ (Alescha, Tagebuch 1941)
Exil in Amerika
Über einen Freund, der dänischer Botschafter in den USA ist, kann er ein Einreisevisum erlangen, woraufhin er gemeinsam mit seiner Mutter die Reise nach Amerika antritt. Als sich das Schiff New York nähert und einige Journalisten an Bord kommen, rät man ihm, doch etwas für seine Bekanntheit als Exilkünstler in den USA zu tun und der Presse von sich zu erzählen. Doch Alescha bleibt lieber an Deck und bestaunt die New Yorker Skyline.
Aleschas Schwester war schon einige Monate zuvor in Amerika angekommen und kann ihren Bruder und die Mutter bei sich in Chicago unterbringen. Ende 1941 erhält er ein eigenes Atelier, wo er endlich seinen dänischen Freund, der ihm das Visum verschaffte und mittlerweile auch Kontakte zu Sammlern vermittelte hatte, empfangen kann. Immer wieder wird er in diesen Jahren des Exils zu Ausstellungen in Chicago und New York eingeladen. Es entstehen zahlreiche Stadtansichten die von der Monumentalität der Wolkenkratzer beherrscht sind aber auch viele Landschafsbilder aus New Hampshire.
Seine Eindrücke verarbeitet er daneben auch in schriftlicher Form. Unter anderem erforscht Alescha zu Fuß und mithilfe des öffentlichen Nahverkehrs die Elendsquartiere von New York und Chicago und verfasst mehrere umfangreiche Manuskripte, darunter die Vorarbeit für ein nie publiziertes Buch „Amerika, wie es wirklich ist. Erlebtes New York“. Während zweier Sommer in den White Mountains entstehen die Manuskripte „Amerikanische Wälder und Berge des Ostens: Die Tragödie des amerikanischen Waldes“ und „Wie leben die Farmer
in den USA? Amerikanisches Bauernland“.
Rückkehr nach Österreich
Amerika bleibt für den Vielgereisten jedoch nur eine Zwischenstation. Die Liebe zu den Bergen, zu seiner Heimat und schließlich die veränderte politische Situation nach dem Krieg sowie die Bemühungen des Wiener Kulturstadtrates Matejka lassen ihn 1947 wieder nach Wien zurückkehren. Ein Atelier wird ihm von der Stadt Wien zur Verfügung gestellt. Nach seiner Rückkehr verbringt Theodor Alescha noch viele schaffensreiche Jahre, in denen er den Kontakt zu seinen Freunden und Kollegen von früher wieder aufnimmt. Er bereist Österreich und Europa und arbeitet unermüdlich in Wien sowie in seinem Türnitzer Refugium. Alljährliche 3-4monatige Studienreisen führen ihn nach Italien, in die Schweiz, Frankreich und Jugoslawien. Die Eindrücke von diesen Reisen und Bergwanderungen verarbeitet er in seinem Wiener Atelier. Noch 1990 arbeitet er an einem Buch über seine Jahre im amerikanischen Exil, das aber nicht mehr zur Veröffentlichung gelangt. Während dieses Lebensabschnittes findet Alescha Zeit, viele ältere Skizzen und Entwürfe, deren Ausarbeitung er immer wieder aufgeschoben hat, umzusetzen und zu größeren Bildern zu verarbeiten. Vieles davon geschieht allerdings unter dem inneren Zwang, im Exil verlorene Bilder rekonstruieren zu müssen. Neben Ausstellungen und Erfolgen im Ausland kommt spät aber doch, noch zu Lebzeiten Ehrung und Anerkennung durch Ausstellungen und Ankäufe der Österreichischen Galerie und des Historischen Museums der Stadt Wien.
So wie Theodor Aleschas künstlerisches Schaffen nicht isoliert vom kunsthistorischen Kontext der Zeit steht, ist auch seine Biographie ein Beispiel für zahlreiche Künstler der „vergessenen Generation“. Aus Anlass der Präsentation seiner Werke im Kunsthandel Widder sowie im Rahmen der Kunstmesse im Palais Ferstel/Harrach in Wien erscheint eine umfangreiche Monographie mit Beiträgen von Günter Düriegl und Arno Löffler.
Text published in Weltkunst, Zeitschrift für Kunst & Antiquitäten, November 2003
Ein Maler auf Reisen
by Arno Löffler
„Mein Charakter verlangt nach Mitteilung und zugleich Dokumentierung, Deutung der Erlebnisse ... mich je ganz in Worten ausdrücken zu können, erscheint mir instinktiv als Unmöglichkeit; dies ist es, was trotz mancher stilistischer Siege mich vom Schriftsteller für immer unterscheiden wird, was mich zuletzt immer hindert, hier ganz zu werden. Ich bin -fortwährend auch hier - Maler. Heute jedoch erkenne ich - wie so oft schon die Notwendigkeit des Ausdrucks für mich ... es ist soviel Drängendes, Verworrenes in mir, wie Explosionsstoff; wenn ich den nicht irgendwie entferne, fliege ich in die Luft.“ Diese 1921 während einer Italienreise ins Tagebuch notierten Zeilen geben Einblick in die Gefühlswelt Theodor Aleschas, die paradigmatisch für das Empfinden einer ganzen Künstlergeneration nach dem Ersten Weltkrieg waren.
Wien als Ausgangspunkt
Theodor Alescha wurde 1898 im Wien des Kaiserwalzers und der Operette, von Österreich-Ungarn und der böhmischen Küche, der Ringstraßenfeudalität und der Schwarzmarktkohle, der Décadence des Fin de siècle sowie der Geheimnisses des Unbewussten und der Träume geboren.
Mit 17 Jahren trat er in die Wiener Akademie der Bildenden Künste ein, wo er sich bei Prof. Rudolf Bacher dem Studium der Porträtmalerei widmete. Der dort gelehrten Malweise blieb er nicht lange treu.
Noch im letzten Kriegsjahr zum Militärdienst eingezogen, schafft er es trotzdem, ins Ausland zu reisen, um sich künstlerisch fortzubilden und weiterzuentwickeln.
Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges war nicht nur die Monarchie und ihr Vielvölkerstaat zerschlagen worden, auch eine kulturelle und künstlerische Ära war zu Ende gegangen. Die Kunst der Jahrhundertwende prägende Erscheinungen wie Gustav Klimt, Egon Schiele, Otto Wagner und Kolo Moser waren tot, Jugendstil und Sezessionismus hatten ihre bestimmende Rolle verloren. Nach dieser politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Zäsur beschäftigte vor allem die Suche nach zeitgemäßen Ausdrucksformen die Kunstschaffenden. Viele der im Hagenbund, einer eher progressiven Künstlergruppe, vereinigten Künstler sahen im Stil- und Formenvokabular des Expressionismus ihre Möglichkeiten.
Hinwendung zur Landschaftsmalerei
1923 stellte Theodor Alescha auf Einladung von Georg Merkel das erste Mal im Hagenbund aus. Besonders seine Reisen nach Italien, Jugoslawien und in die Schweiz, verbunden mit der Wiederentdeckung mediterraner und alpiner Gegenden, machten ihn in den Augen seiner Malerfreunde Carry Hauser, Josef Floch und Georg Merkel zu einem interessanten Pionier der Landschaftsmalerei. Aleschas Bildkunst war im Vergleich zu den Arbeiten seiner Künstlerfreunde von einer realistischeren Landschaftsauffassung geprägt. Ein wichtiges Vorbild waren für ihn die kantigen Landschaften des Schweizer Malers Ferdinand Hodler. Dieser bediente sich in seiner Bildaufteilung einer Technik, die er „Parallelismus” nannte. Dabei handelt es sich um rhythmische Wiederholungen gleicher Formen und Farben. In der Tat weisen die aus regelmäßig angeordneten Farbflächen nüchtern gebauten Landschaften Aleschas diesen Einfluss auf. Dabei sind seine Landschaften meist menschenleer, wie in einer Schöpfung, in die der Mensch noch keinen Zugang gefunden hat oder als er die von ihm teilweise verwandelte Landschaft bereits wieder verlassen hätte und nur einige seiner Spuren wie terrassierte Strassen oder ein Boot am Strand zurückgelassen hätte.
Obwohl Alescha den Menschen in seinen Tagebüchern breiten Raum widmet, verbannt er sie aus seinen Landschaften. Vorwiegend finden sich in seinen Landschaftsbildern Küsten- und Stadtansichten, Bergpanoramen und Gletschermotive. „Sie alle kommen seiner Tendenz zur Übersteigerung, zur Monumentalisierung der Landschaft entgegen, er erschafft die steilen Hänge nochmals steiler, schneidet Rinnen, Terrassen, Strassen, Klüfte, noch tiefer als die Natur, bringt eine Bewegung der Landschaft in tiefen wie musikalischen Wellen.“ (Regine Schmidt) Dazu notiert er in sein Tagebuch: „Das Bild sei etwas streng ins Format komponiertes; jede Stelle ist wichtig, da es geschlossen ist; nicht rund, verfließend, ohne feste Grenze wie die Landschaft, die Wirklichkeit, die Natur mit freiem Horizont, der unendliche Möglichkeiten des Bildausschnittes bietet.“ (Theodor Alescha, Tagebuch Mai 1921) Alescha arbeitet mit Ölfarben, aber überwiegend in Pastell, auch aus wirtschaftlichen Gründen. Denn in Pastell kann er schneller und billiger arbeiten. Parallel zu seinen Bildern hält er in seinen schriftlichen Aufzeichnungen Landschaftsschilderungen fest.
Reisen in Europa
Die Jahre zwischen 1920 und 1934 sind durch intensive Reisetätigkeit ins benachbarte Italien, aber auch in die Schweiz, Frankreich, und Deutschland geprägt, in denen er als reisender Maler ausreichend von seiner Kunst zu leben versteht. Viele dieser Reiseeindrücke und Naturerfahrungen verarbeitet Alescha in seinen Bildern. So entstehen dynamisch-rhythmisierte Landschaften in kraftvollen, übersteigerten Farben, die kennzeichnend für sein Werk stehen. Die Landschaften aus den 20er und 30er Jahren, die einen Grossteil seines Oeuvres ausmachen, verströmen einen eigenen, fremdartigen Reiz und sind eindeutig als Malerei der Zwischenkriegszeit erkennbar. Aufträge, Gruppenausstellungen sowie Aleschas zahlreiche internationale Kontakte und Verbindungen, die er durch sein aufgeschlossenes Wesen und seine Sprachengewandtheit gewinnt, bilden die Basis dieser fruchtbaren Periode.
In diesen Jahren lernt er viele interessante Persönlichkeiten kennen. So knüpft er auf einer Russlandreise Kontakt zu Kulturminister A. W. Lunatscharskij und lernt in der Schweiz Romain Rolland kennen. Von seiner Russlandreise heimgebrachte Bilder verkauft Alescha u.a. auch an Stefan Zweig, den er oftmals in seinem Salzburger Haus besucht. Die Grenzen seiner künstlerischen Tätigkeit überschreitend, kommen dem begeisterten Alpinisten immer wieder seine Kontakte zu Bergsteigern, Auftraggebern, Kunstfreunden oder überhaupt wohlmeinenden Menschen zugute, die für ihn bürgen oder ihm eine Unterkunft verschaffen. Solche Begegnungen, die Alescha immer wieder unverhofft weiterhelfen, nennt er „Reisewunder“. Zeitweilig hält sich Alescha im Wallis, in den Niederlanden, in Belgien, in Paris und Bern auf, wo er im Herbst 1935 auch Albert Einstein kennenlernt.
Zwischenstation Frankreich
Wie so viele andere österreichische Künstler kehrt Alescha während der Zeit des Faschismus und des Nationalsozialismus seiner Heimat den Rücken. Er geht im Frühling 1934 unter Mitnahme des größten Teils seiner Naturstudien, der Tagebücher und seiner Bibliothek in die Westschweiz nach Genf. Nach Wien kommt Alescha in jenen Jahren nur noch zu Weihnachten, zuletzt 1937. Im Frühjahr 1938 verlässt Alescha, mit einem ungültigen österreichischen Pass in der Tasche, die Schweiz in Richtung Paris. Ein Lausanner Stadtrat, mit dem Alescha etliche Bergtouren unternommen hatte, ermöglicht ihm die Einreise nach Frankreich. Der Überfall Deutschlands auf Polen im September 1939 machen der relativ sicheren Existenz Aleschas in Bouqéron ein Ende. Alescha wird von der Gendarmerie verhaftet und angewiesen, sich in einem Sammellager in Grenoble zu melden. Dort trifft er viele andere österreichische Flüchtlinge aus Südostfrankreich. Aufgrund seiner Kontakte und seiner Sprachgewandtheit wird er wieder entlassen, jedoch bald von Freunden gewarnt, dass er auf der Gestapoliste stehe und sie ihn nicht mehr vor der Internierung im berüchtigten Lager Gurs schützen könnten. 1941 flüchtet er schließlich aus Frankreich über Spanien nach Lissabon, von wo er sich nach New York einzuschiffen gedenkt. Auch auf dieser Flucht findet er Zeit zu malen und im Tagebuch seine Landschaftseindrücke zu notieren: „Oliven graugrün, hellgrüne junge Bäume zierlich aneinandergereiht auf rosabrauner Erde - Schatten von Wolken über allem - rotbraunes Dorf mit Campanile am Hügel - hoch oben die Sonne hell glänzend - Wolkenschatten über der Landschaft,...“ (Alescha, Tagebuch 1941)
Exil in Amerika
Über einen Freund, der dänischer Botschafter in den USA ist, kann er ein Einreisevisum erlangen, woraufhin er gemeinsam mit seiner Mutter die Reise nach Amerika antritt. Als sich das Schiff New York nähert und einige Journalisten an Bord kommen, rät man ihm, doch etwas für seine Bekanntheit als Exilkünstler in den USA zu tun und der Presse von sich zu erzählen. Doch Alescha bleibt lieber an Deck und bestaunt die New Yorker Skyline.
Aleschas Schwester war schon einige Monate zuvor in Amerika angekommen und kann ihren Bruder und die Mutter bei sich in Chicago unterbringen. Ende 1941 erhält er ein eigenes Atelier, wo er endlich seinen dänischen Freund, der ihm das Visum verschaffte und mittlerweile auch Kontakte zu Sammlern vermittelte hatte, empfangen kann. Immer wieder wird er in diesen Jahren des Exils zu Ausstellungen in Chicago und New York eingeladen. Es entstehen zahlreiche Stadtansichten die von der Monumentalität der Wolkenkratzer beherrscht sind aber auch viele Landschafsbilder aus New Hampshire.
Seine Eindrücke verarbeitet er daneben auch in schriftlicher Form. Unter anderem erforscht Alescha zu Fuß und mithilfe des öffentlichen Nahverkehrs die Elendsquartiere von New York und Chicago und verfasst mehrere umfangreiche Manuskripte, darunter die Vorarbeit für ein nie publiziertes Buch „Amerika, wie es wirklich ist. Erlebtes New York“. Während zweier Sommer in den White Mountains entstehen die Manuskripte „Amerikanische Wälder und Berge des Ostens: Die Tragödie des amerikanischen Waldes“ und „Wie leben die Farmer
in den USA? Amerikanisches Bauernland“.
Rückkehr nach Österreich
Amerika bleibt für den Vielgereisten jedoch nur eine Zwischenstation. Die Liebe zu den Bergen, zu seiner Heimat und schließlich die veränderte politische Situation nach dem Krieg sowie die Bemühungen des Wiener Kulturstadtrates Matejka lassen ihn 1947 wieder nach Wien zurückkehren. Ein Atelier wird ihm von der Stadt Wien zur Verfügung gestellt. Nach seiner Rückkehr verbringt Theodor Alescha noch viele schaffensreiche Jahre, in denen er den Kontakt zu seinen Freunden und Kollegen von früher wieder aufnimmt. Er bereist Österreich und Europa und arbeitet unermüdlich in Wien sowie in seinem Türnitzer Refugium. Alljährliche 3-4monatige Studienreisen führen ihn nach Italien, in die Schweiz, Frankreich und Jugoslawien. Die Eindrücke von diesen Reisen und Bergwanderungen verarbeitet er in seinem Wiener Atelier. Noch 1990 arbeitet er an einem Buch über seine Jahre im amerikanischen Exil, das aber nicht mehr zur Veröffentlichung gelangt. Während dieses Lebensabschnittes findet Alescha Zeit, viele ältere Skizzen und Entwürfe, deren Ausarbeitung er immer wieder aufgeschoben hat, umzusetzen und zu größeren Bildern zu verarbeiten. Vieles davon geschieht allerdings unter dem inneren Zwang, im Exil verlorene Bilder rekonstruieren zu müssen. Neben Ausstellungen und Erfolgen im Ausland kommt spät aber doch, noch zu Lebzeiten Ehrung und Anerkennung durch Ausstellungen und Ankäufe der Österreichischen Galerie und des Historischen Museums der Stadt Wien.
So wie Theodor Aleschas künstlerisches Schaffen nicht isoliert vom kunsthistorischen Kontext der Zeit steht, ist auch seine Biographie ein Beispiel für zahlreiche Künstler der „vergessenen Generation“. Aus Anlass der Präsentation seiner Werke im Kunsthandel Widder sowie im Rahmen der Kunstmesse im Palais Ferstel/Harrach in Wien erscheint eine umfangreiche Monographie mit Beiträgen von Günter Düriegl und Arno Löffler.
Text published in Weltkunst, Zeitschrift für Kunst & Antiquitäten, November 2003